„Die Leute hören viel besser zu“

Kirche / Mundartpfarrer feiert am Sonntag Jubiläum

Von Waltraud Günther.


Dornstetten-Aach. Grund zu feiern haben Pfarrer und Kirchengemeinde Aach am Sonntag gleich zweifach: Pfarrer Manfred Mergel kann auf 25 Jahre kirchliche Mundartarbeit zurückblicken. Verbunden mit seinem Jubiläum ist ein großes Gemeindefest, das um 10.30 Uhr mit einem schwäbischen Gottesdienst beginnt und mit einer Kabarettvorstellung von „Die Drei vom Dohlengässle“ endet.

Wir sprachen mit Manfred Mergel über die Tätigkeit eines Mundartpfarrers.

Herr Mergel, wie kam es dazu, dass Sie Mundartpfarrer wurden und auf Schwäbisch predigen?
Ich bin in Göppingen aufgewachsen. Bei uns zu Hause wurde Mittelschwäbisch gesprochen. Studiert habe ich auch in Hamburg, dort musste ich allerdings Hochdeutsch sprechen, sonst hätte mich keiner verstanden. Begonnen hat es dann während meiner Vikarszeit auf der Schwäbischen Alb. Die Leute dort haben ein breites Schwäbisch gesprochen, und ich habe einfach nicht alles verstanden. Da zeigte zum Beispiel im Religionsunterricht ein Schüler auf seinen Nachbarn und sagte: „Der luigt.“ Und ich wusste nicht, was er meint. Ich habe damals manchmal versucht, einige der Sprüche ins Hochdeutsche zu übersetzen, aber da war die Pointe weg. Gleichzeitig fiel mir eine schwäbische Übersetzung des Matthäus-Evangeliums in die Hand, damit war ich sozusagen infiziert.

Wie ging es dann weiter?
Ich habe bald bemerkt, dass mir die Leute viel besser zuhören und den Inhalt besser verstehen, wenn ich während der Predigt gezielt einige Sätze schwäbisch rede. Bald kamen schwäbische Geschichten, Aphorismen und Veröffentlichungen dazu. Hin und wieder veranstaltete ich in meiner damaligen Gemeinde auch schon Mundart-Gemeindeabende, die waren unglaublich beliebt. Und 1995, als junger Pfarrer in Gärtringen, habe ich dann meine erste Predigt ganz auf Schwäbisch gehalten.

Was sagten denn ihre Vorgesetzten dazu? Ihre Herangehensweise der Verkündigung des Wortes Gottes war damals doch recht ungewöhnlich.

Nun ja, nicht alle waren gleich begeistert. Aber dann wurde ich zu Landesbischof Maier eingeladen, und der war von meinen Ausführungen und der kirchlichen Mundartarbeit ausgesprochen angetan. Heute werde ich vom Oberkirchenrat wohlwollend unterstützt, zudem hat sich inzwischen auch landesweit ein Unterstützerkreis für kirchliche Mundartarbeit gebildet. Und seit Kretschmann ist Schwäbisch sowieso in aller Munde.

Wo kann man ihre Mundartpredigten hören?
Natürlich in Aach, so etwa zwei- bis dreimal im Jahr predige ich hier auf Schwäbisch. Am kommenden Sonntag im Gottesdienst in der Festhalle, der komplette Gottesdienst wird auf Schwäbisch sein. An meinen freien Sonntagen bin ich mit einer schwäbischen Predigt gerne auch einmal in anderen Gemeinden zu Gast, und – allerdings nur noch dieses Jahr – auf dem Cannstatter Wasen. Am ersten Volksfestsonntag lade ich im großen Festzelt zu einem Mundartgottesdienst ein, inzwischen kommen viele Volksfestbesucher regelmäßig dazu. Besonders freut mich, dass sich auch viele Angestellte die Zeit nehmen und am Mundartgottesdienst teilnehmen. Und dass sich die Bedienungen mit ihren Besteckkörben dazusetzen und nebenher die Servietten rollen. Dieses Jahr predige ich zum 13. Mal auf dem Cannstatter Wasen, jetzt muss Schluss sein; zukünftig soll ein Jüngerer ran.

Verraten Sie uns doch noch ein paar besonders bemerkenswerte Reaktionen.
Na ja, da war der Konfirmand, der mir treuherzig versicherte: „Bei Ihren schwäbischen Predigten kann man wenigstens nicht einschlafen.“ Oder der ältere Gottesdienstbesucher, der sich anschließend mit den Worten „Des isch mir grad nondergange bis en de große Zaie“ bei mir bedankte.



Nachwort: Leider wurde dieser für den 15. März 2020 geplante zweite Teil meines Silberjubiläums in der Aacher Turn- und Festhalle vier Tage vorher seitens der Stadt Dornstetten abgesagt – „aus gesundheitssichernden Gründen“. Deshalb seien hier noch zwei Bilder vom ersten Teil des Jubiläums am 19. Januar 2020 in der Gärtringer Sankt Veit-Kirche angefügt.